Vorsicht ZEV-Falle

Vorsicht ZEV-Falle

Turbulente Zeiten führen immer wieder mal zu unausgegorenen Lösungen. Oder wie Kurt Tucholsky zugeschrieben, der gesagt haben soll: „Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse, sondern gut gemeint“.

Ein solches Beispiel ist Art. 11 Abs 2bis 1) der Stromversorgungsverordnung (StromVV). Dieser besagt, dass eine Verbrauchsstätte via  Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) in die Grundversorgung zurückkehren kann. Als Konsequenz darf erst nach Ablauf von sieben Jahren wieder in den Markt gewechselt werden.

 

Diese Regel wurde vom Bundesrat im Schnellverfahren (nota bene ohne entsprechende Vernehmlassung) in die StromVV aufgenommen, als die Energiemärkte verrücktspielten und nicht wenige Unternehmen - welche davon auf dem linken Fuss erwischt wurden - via das «ZEV-Buebätrickli» wieder in die damals oft günstigere Grundversorgung zurückwechselten. Solche Unternehmen bescherten dem lokalen Grundversorger meist einen Verlust, da dieser den Strom teurer nachbeschaffen musste, als er ihn im starren Tarifmodell der Grundversorgung verkaufen konnte. Von daher kann nachvollzogen werden, dass der Grundversorger sieben Jahre Zeit bekommen sollte, um diese Verluste wieder wettzumachen.

 

Heute ist die Situation allerdings komplett verschieden. Die Marktpreise liegen im Normalfall wieder deutlich unterhalb der Grundversorgungstarife und es besteht für den Verbraucher kein Anreiz mehr, in die Grundversorgung zu wechseln. Würde heute ein Verbraucher vom Markt in die Grundversorgung wechseln, müsste er also sieben Jahre lang erhöhte Tarife bezahlen, um die (nicht) entstandenen Verluste seines Wechsels abzugelten.

 

Die ZEV-Falle öffnet sich in dem Moment, wo ein neuer ZEV gegründet wird2. Wird nämlich ein neuer Verbraucher (wirtschaftliche und örtliche Einheit) geschaffen, so wird dieser gemäss StromVV Art. 11 Abs 3 in der Grundversorgung beliefert, sofern er nicht mindestens zwei Monate vor der Gründung anmeldet, dass er im Markt beliefert werden möchte. Dasselbe gilt auch für eine neu gegründete ZEV.

 

Gibt es Hoffnung für Betroffene?

Wer in die ZEV-Falle getappt ist, kann versuchen den entsprechenden Artikel im StromVV anzufechten. Da dieser ohne eine Vernehmlassung in die Verordnung aufgenommen wurde, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das Bundesverwaltungsgericht einer Klage dagegen Recht geben würde.

 

Wer mit dem Gedanken spielt, einen ZEV zu gründen, dem sei angeraten, den Schritt gut zu planen. Ein unfreiwilliger Wechsel in die meist teurere Grundversorgung kommt einer siebenjährigen «Bestrafung» gleich – für ein «Vergehen», welches gar nicht vom betroffenen Unternehmen begangen wurde. StromVV Art. 11 Abs 2bis: ein gut gemeinter Einschub, aber schlecht gemacht.

 


1) 2bis Nimmt eine Verbrauchsstätte, für die zuvor bereits einmal vom Anspruch auf Netzzugang Gebrauch gemacht wurde, an einem bereits bestehenden oder neu zu gründenden Zusammenschluss zum Eigenverbrauch teil, so schliesst dies die Lieferpflicht des Betreibers des Verteilnetzes gegenüber dem Zusammenschluss nicht aus. Beansprucht der Zusammenschluss diese Lieferpflicht, so kann der Anspruch auf Netzzugang für die betreffende Verbrauchsstätte frühestens nach Ablauf von sieben Jahren seit ihrer Teilnahme am Zusammenschluss wieder ausgeübt werden.

 

2) Für ZEVs, die vor dem 1. Januar 2023 gegründet wurden, dürfte unserer Meinung nach die «7-Jahre-Falle» nicht zur Anwendung kommen.